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Wie sich Metas Kommunikation entwickelte

Meta verbrachte die ersten Lebenswochen auf der Frühchenstation. Dort konnte ich ihr Schreien schon von weitem heraushören: näähää mnähäääh... es war anders als das der anderen Kinder, und manchmal denke ich, bereits damals unterschied sich ihre Kommunikation von der anderer Kinder. Dass Meta eine Behinderung hat, stellte sich aber erst Monate, eigentlich Jahre später heraus. 
Auf ihr Interesse an unseren Gesichtern, auf ihren Blickkontakt und ein reagierendes Lächeln mussten wir warten, bis Meta knapp 1 Jahr alt war. Buntes Spielzeug hingegen liess sie ausgesprochen begeistert und fröhlich reagieren. Es fiel mir schwer, ohne Metas Reaktion immer wieder mit ihr zu reden. Meta plapperte nicht in der gewöhnlichen Babysprache, statt dessen erprobte sie alle möglichen Lach- und Gurrlaute, sie quitschte, schnarrte mit ihrer Stimme - vor allem aber lachte sie! Ihr allererstes Wortverständnis hatte sie mit etwa 18 Monaten: Schuffeltuch und Ball. 

Als Meta knapp 3 Jahre alt war, begann sie auf Dinge zu zeigen, sie gab nicht eher Ruhe, bis wir sie benannten. Es war ein bedeutender Schritt, und schon bald darauf konnte sie zwischen einemFruchtzwerg und einer Milchschnitte, wählen, indem sie darauf zeigte. Jetzt merkte sie sich auch, wo ich die geliebten Kornflakes abstellte, sie zeigte schreiend in diese Richtung, bis ich ihr das Gewünschte holte. 

Ein viertel Jahr später kam das Angelman-Syndrom als mögliche Diagnose in Betracht, was bedeutete, dass Meta wahrscheinlich niemals sprechen lernen würde. Durch Internetkontakte erfuhr ich, dass man in anderen Ländern bei Angelman-Kindern schon im Vorschulalter mit Unterstützter Kommunikation beginnt. Ich war begeistert davon. Dass Meta durch Krankengymnastik eventuell 3 Wochen früher selbständig laufen würde, schien mir manchmal all die investierte Zeit nicht wert zu sein. Unterstützte Kommunikation jedoch würde Meta wirklich etwas bringen. Der Begriff "Unterstützte Kommunikation" war aber leider nicht nur für mich neu, soviel ich auch herumtelefonierte, kein Logopäde oder Heilpädagoge kannte sich damit aus. Die gesuchten Informationen fand ich vor allem im Internet. In Metas Umgebung war viel Überzeugungsarbeit notwendig: dass Kommunikation nicht etwas ist, was man auch noch fördern könnte, wenn Meta denn nicht mehr ausgelastet sei, sondern dass es etwas ganz Grundlegendes ist, und man nicht früh genug mit der Förderung anfangen kann. 

Wir begannen also selbst mit Unterstützter Kommunikation.

Kurz nach ihrem 4. Geburtstag lernte Meta laufen, und ein dreiviertel Jahr später etwa begann sie, uns an der Hand dahin zu ziehen, wo sie etwas begehrte. Bekam sie ein Knusperbrot, ging sie damit zum Kühlschrank und klopfte daran, wir sollten ihr einen Fruchtzwerg rausholen und ihr Brot darin tunken. Oder sie holte eine Banane, zermatschte sie aber nicht wie bisher, sondern brachte sie mir zum Schälen und Füttern. Sie hatte auch gelernt, mit Bigmacks (besprechbare Riesentasten mit Widergabefunktion) Wünsche zu äussern. 

Mit 5 Jahren gelang Meta ein erstes bewusstes, lautsprachliches "Mama" und ihr Sprachverständnis verbesserte sich, vermutlich auch durch eine Polypen-OP. Ihre wichtigsten Kommunikationsmittel blieben aber Lachen, Schreien und das Zeigen mit der Hand. Bei der Begegnung mit Tieren überraschte sie uns, indem sie jedes Mal langanhaltend lautierte: mämämämämäm. Wir verwendeten einige Gebärden und hofften, dass sie dadurch im Spracherwerb unterstützt wird. Weil Meta inzwischen ihre beiden Bigmacks gezielt anwählen konnte, bekam sie einen Talker (Sprachausgabegerät). In dieser Zeit mussten wir allerdings akzeptieren, dass Metas Entwicklung nun sehr stark unter dem Einfluss ihrer Epilepsie stand, dass es immer wieder Zeiten gab, in denen fast gar nichts ging, und der Talker zum Beispiel links liegen bleibt. 

Als Meta gerade 6 Jahre alt geworden war, entdeckte sie für sich die ersten 2 Gebärden. Dafür allerdings liess Meta den Talker links liegen. Meta setzte stets ihre eigenen Schwerpunkte und niemals zu viele auf einmal!
Ein halbes Jahr später begann sich Meta plötzlich für Bilder, Bilderbücher und Bildkarten zu begeistern. Überraschend leicht fiel es ihr auf einmal, durch Bildkarten Wünsche zu äussern und aufgefordert passende Karten zu holen. Ihre Reaktion auf Sprache wurde viel besser, Meta lernte für "Ja" zu nicken, bald unterstrich sie mit dem Nicken auch Forderungen an uns, dabei zeigte sie parallel auf das Gewünschte. Es war wohl einer ihrer bis dahin grössten Entwicklungssprünge überhaupt! Warum gerade jetzt? Vielleicht war er an der Reihe, vielleicht hatten ihn neue Medikamente erst möglich gemacht.

Mit gut 7 Jahren wurde Meta eingeschult. Sie machte weiterhin bedeutende Fortschritte, nun vor allem im Spiel- und Lernverhalten. Meta begann im Spiel Dinge zusammenzufügen, z.B. liebte sie Stapelpyramiden. Bisher war alles mehrteilige immer nur auseinander geflogen. Meta entwickelte Freude an speziell für sie erstellten oder ausgesuchten Lernspielen, in denen etwas zu stapeln oder nach Form und Farbe zuzuordnen war. Immer gleiche, durch Bilder und Bildkarten nachvollziehbar gemachte Abläufe schienen sie nun besonders zu motivieren, "etwas zu leisten".

Kurz nach dem 8. Geburtstag entdeckte Meta den Talker neu, er wird zu ihrem liebsten Kommunikationsmittel. Parallel begann Meta immer mehr zu lautieren, zwar nicht mit neuen Lauten, aber dafür häufiger: mämä, ämä, mama. Ohne allzugrosse Erwartungen begannen wir mit Meta Ganzwort-Lesen zu üben. Einer Bild-Wort-Karte soll dabei die passende Wortkarte zugeordnet werden. Wir wählten dafür für Meta bedeutsame Worte aus: Oma, Pingu, Nono (Staubsauger der Teletubbies). Die Oma-Karte gefiel ihr besonders, und eines Tages sagte Meta plötzlich "Oma", als sie die Karte sieht.

Meta hat eine relativ schwere Behinderung, in deren Mittelpunkt Autismus steht. Ich schätze ihren Entwicklungsstand auf den eines etwa 1,5 bis 2 jährigen Kindes. Es gibt jedoch auch Leistungsspitzen, die sich von vielen lebenspraktischen Fähigkeiten abheben: z.B. ihr sehr geschicktes Rollifahren schon im Kindergartenalter und ganz aktuell ihr sicherer Umgang mit der 4-Ebenen-Struktur ihres SmallTalkers, einem Sprachcomputer mit Touchscreen. Meta hat eine starke Persönlichkeit und einen starken Willen, den sie immer auch mitzuteilen versucht. Es gab lange Phasen ständigen Haareziehens, sei es, um "Hallo" zu sagen, Nichteinverstandensein auszudrücken oder einfach nur so… Autoaggression war ein Druckmittel, Gewolltes durchzusetzen, was oft schon daran scheiterte, dass keiner sie verstand. Schnell war sie überreizt und von irgendwelchen Dingen irritiert, ihr Stress entludt sich im Werfen von Gegenständen. Diese im Alltag sehr problematischen und anstrengenden Verhaltensweisen besserten sich mit den allmählichen kommunikativen Fortschritten. Da sich Meta aber in ihren Interessen sehr stark auf einzelne Dinge konzentriert und sich nur schwer zu anderem überreden lässt, ist das Erlernen neuer Kommunikationsformen schwierig und mit vielen speziellen Problemen verbunden. "Zwei Schritte vor und einen zurück" geht Meta dabei und kommt am Ende doch langsam voran.



Metas Kommunikationssyste

1. Bilderbuch

Als erstes bekam Meta ein Bilderbuch, in dem ihre Dinge abgebildet waren. Ich habe sie fotografiert und anschliessend eingescannt oder aber direkt auf den Scanner gelegt, was vor allem bei kleinen, flachen Gegenständen gut funktioniert. In einem Bildbearbeitungsprogramm habe ich die vom eigentlichen Gegenstand ablenkenden Hintergründe beruhigt - entweder gelöscht oder grau bzw. schwarz eingefärbt.
Wesentlich einfacher ist es jedoch, die Dinge mit einer Digitalkamera vor einfarbigem Hintergrund zu fotografieren. Schwarze Hintergründe wirken am ruhigsten, weil hier noch nicht einmal Schatten zu sehen sind. Für die Buchseiten habe ich immer jeweils 2 ausgeschnittene, Rücken an Rücken geklebte Bilder laminiert, gelocht und zum Schluss mit 2 Schlüsselringen alle Seiten gebunden. Anstelle eines Schlüsselringes kann auch ein Stück Schur durchgezogen und zu einem Ring verknotet werden.
Zum ersten Mal schaute sich Meta ein Bilderbuch richtig an. Ihr Interesse an Büchern blieb jedoch noch jahrelang sehr wechselhaft, über viele Wochen schafft sie es manchmal, den Blick in ein Buch vollkommen zu verweigern.

2. Bildkarten mit Fotos

Zunächst hängten wir in Metas Zimmer eine laminierte Speisekarte mit den Lieblingsspeisen auf. Zwei Wochen lang wurde die Karte von der 3jährigen Meta ignoriert, dann begann sie darauf zu zeigen, wenn sie etwas essen oder trinken wollte. Zwar zeigte sie auf die ganze Karte statt auf einzelne Bilder, aber immerhin, sie schrie nicht mehr einfach nur, sondern konnte uns mitteilen, in welche Richtung ihre Bedürfnisse gingen. Durch Aufzählen verschiedener Sachen bekamen wir anhand ihrer Reaktionen (Lachen/Schreien) dann heraus, was sie genau wollte. Nach ein paar Wochen liess Metas Interesse an der Speisekarte nach, und eines Tages war sie von der Wand gerissen. Meta erinnerte sich wohl daran, dass sie ihre Bedürfnissse auch anders durchsetzen konnte. Wir aber waren uns nun sicher, dass Meta in der Lage war, mit solchen Dingen umzugehen. Erst 1,5 Jahre später, als Meta 5 Jahre alt war, klappte das Aussuchen von Speisen am Tisch über einzelne Bildkarten. Lange Zeit blieb es wichtig, nicht zu viele Karten mit genügend Abstand auf den Tisch zu legen. Eine Karte mit mehreren Bildern dicht nebeneinander nahm Meta nicht an, obwohl ihre motorischen und kognitiven Fähigkeiten dafür gereicht hätten, was sie in Einzelsituationen gezeigt hatte. Es schien für sie eine zu komplexe und anstrengende Anforderung zu sein, auf eine Karte gleichzeitig genau hinzuschauen, zu entscheiden und dann noch sehr gezielt zu zeigen. Dieser Anforderung ging sie aus dem Weg.

3. Bildkarten mit Symbolen

Neben den Bigmacks wurde uns in der UK-Beratung empfohlen, für Kommunikationstafeln an Stelle von Fotos LÖB-Symbole zu verwenden, zu probieren, ob Meta damit besser klarkommt. Ich bestellte mir einen Kartensatz, zeichnete dann aber alle Symbole, die Meta brauchte, im Computer neu. Zum einen, weil ich die Bilder an Metas Alltag anpassen musste - so konnte Meta mit einem abgebildeten Erwachsenenbett nichts anfangen, da sie in einem Babygitterbett schlief. Zum anderen lassen sich digitale Bilder einfacher vervielfältigen und in der Größe variieren. Ausserdem fehlten viele Symbole, andere wurden meinen Ansprüchen als Grafikerin und Mutter eines nichtsprechendes Kindes nicht gerecht.
Die leicht überschaubaren, kontrastreichen Symbolkarten interessierten die 4 jährige Meta gleich. Nun sollten sie immer wieder kehrende Alltagsverrichtungen begleiten, bis Meta diese mit den Symbolen verbindet und in der Lage ist, durch selbständiges Auswählen und Heranholen eines Symbols ihren Willen kundzutun. Der Kindergarten schien mir dafür besonders geeignet, weil die unterschiedlichen Aktivitäten meist eine eindeutigere räumliche Distanz und Zuordnung hatten als zu hause. Ich laminierte die Symbole, die dann mit Magnetklebestreifen an der für Meta erreichbaren Kühlschranktür im Gruppenraum angebracht wurden. Vor dem Essen holte man gemeinsam das entsprechende Symbol, nahm es mit an den Platz und brachte es hinterher wieder zurück. Wir begannen zunächst mit den Symbolen Essen und Trinken. Wickeln zum Beispiel erschien uns nicht attraktiv genug. Mit der Zeit stellten wir aber fest, dass diese Begriffe für Meta zumindest zu hause zu abstrakt waren. Sie bevorzugte es, bei Hunger einfach in die Küche zu gehen, am Tisch war sie dann aber bereit, über Fotokarten Speisen auszuwählen. Im Kindergarten brach man die Arbeit mit den Symbolkarten mangels schneller Erfolge bald ab. Erst zwei Jahre später im neuen Kindergarten wurden sie konsequent eingeführt. Meta benutzte parallel Symbole- und Foto-Bildkarten. Denn einiges lässt sich als Symbol gut und allgemein genug darstellen, anderes besser als Foto. Inzwischen ist aus den anfangs nur für Meta gezeichneten Bildsymbolen das umfangreiche, auf CD-Rom erhältliche METACOM-Symbolsystem entstanden.

4. Bildkarten-Klettwand und -Kommunikationsbuch

Mit etwa 6,5 Jahren begann Meta sich für Bilderbücher zu interessieren, was ich zum Anlass nahm, noch intensiver Bildkarten anzubieten. Wir hängten an der Wand  eine Holzleiste mit Klettstreifen für Bildkarten auf, später wurde die Leiste durch 2 grosse klettende Teppichfliesen ersetzten, da sie mehr Karten aufnehmen konnten. Den ersten Kartensatz zerknickte und zerbiss Meta innerhalb einer halben Stunde. Ich fertigte einen neuen, stabileren an, indem ich die laminierten Bilder auf etwa 4 mm dicke Kunststoff Platten klebte. Meta gefielen die handlichen Karten und es machte ihr Spass, sie mit einen Ratsch von der Klettleiste an der Wand zu ziehen und im Zimmer umherzuwerfen. Ich liess sie gewähren. Nach etwa 2 Wochen wurde das Spiel langweilig, und bald darauf hatte sie gelernt, mit ihren Karten Bedürfnisse auszudrücken, in dem sie uns die passende brachte. Es fiel ihr plötzlich leicht, Bilder zu erkennen und auch aus vielen das richtige rauszusuchen. Das Beste aber war: es machte ihr unglaublichen Spass!  
Als Meta zu einer Geburtstagsfeier eines Jungen, der die gleichen Bildkarten wie sie benutzte, eingeladen war, wurde mir klar, dass Meta auch ein mobiles Kommunikationssystem brauchte. Sie hatte die Karten des Jungen entdeckt und brachte mir seine Schlafen-Karte. Meta war müde und wollte nach hause. Also bekam Meta ein Kommunikationsbuch, das sich überall mit hinnehmen liess. Es besteht aus einem A5-Ringordner mit festen laminierten Seiten, die mit den flauschigen Klettbandstreifen beklebt sind. Die Symbolkärtchen tragen die klettige Seite des Klettbandes. Den Ordnerdeckel beklebte ich ganzflächig mit Teppich (z.B. selbstklebende Treppenstufenmatte), auf dem die Symbolkarten ebenfalls gut haften. So kann man aus dem Ordner Karten vorauswählen (z.B. Dinge für das Frühstück), auf dem Deckel plazieren und das Kind entscheiden lassen. Es können auch mögliche Spielangebote auf dem Deckel plaziert werden, bereits abgehandelte verschwinden dann wieder im Ordner. Mit diesem Buch kann auch nach der PECS-Methode gearbeitet werden. Das Kind zieht dabei die Karten vom Ordnerdeckel ab und gibt sie dem Betreuer in die Hand, der die Karte dann noch einmal zeigt und die Abbildung benennt.

5. Einfache elektronische Kommunikationshilfen

Auf Anraten einer Beratungsstelle für Unterstützte Kommunikation erhielt Meta im Alter von 4 Jahren 2 Bigmacks. Verordnet wurden sie vom Kinderarzt, die Krankenkasse übernahm die Kosten. Die Bigmacks sollten der Kommunikationsanbahnung und der Vorbereitung auf komplexere Geräte wie Talker dienen. Gleich 2 Geräte waren sinnvoll, um auch den Zusammenhang zwischen verschiedenen Tastensymbolen und den darüber abrufbaren Texten einüben zu können. Während der Beratung zeigte Meta kaum Interesse, als die Tasten aber schliesslich zu Hause standen, war sie begeistert. Wenn statt Mamas Stimme mal Papas oder statt Worten ein Lied zu hören war, lachte Meta, sie spielte es immer und immer wieder ab. Für die Taster gibt es transparente Abdeckungen, unter die man Symbole bringen kann. Zunächst "beschriftete" ich einen Taster mit einem Stück ausgedientem Schnuffeltuch und nahm dazu den Text "Schnuffeltuch, ich möchte das Schnuffeltuch!" auf. Zwar nutzte Meta den Taster zunächst noch nicht gezielt, um ihr Schnuffeltuch zu bekommen. Spielte sie ihn aber ab, veranlasste sie das oft, nach ihrem Schnuffeltuch Ausschau zu halten. Ein paar Monate später war es dann soweit: Meta quengelte, weil sie ihr Schuffeltuch über eine Absperrung geworfen hatte und nicht rankam. Ich ging zu ihr und fragte: "Was ist los?". Sie streckte auf die Absperrung zeigend ihre Hand aus, da schien ihr plötzlich einzufallen, dass neben ihr der Schuffeltuch-Bigmack stand - sie drückte drauf um mir mitzuteilen, dass sie ihr Tuch wiederhaben wollte!
Daraufhin beschlossen wir, den bisher wechselnd belegten Bigmack fest an einem Platz in Metas Zimmer zu installieren, in das darüber hängende Regal kam ein Kassettenrekorder. Sobald Meta den Bigmack mit dem Text "Musik… ich möchte Musik hören" und dem darauf angebrachten Bild des Rekordes betätigte, schalteten wir den Rekorder ein. Den Zusammenhang hatte sie schnell begriffen. Als der Rekorder kaputt ging, mussten ich ein Gerät im Nebenraum anstellen. Zeigen funktionierte nun nicht mehr und Meta lernte endgültig, mit ihrem Bigmack Musik - egal aus welchem Rekorder - anzufordern. Ich blieb sehr konsequent. Auch wenn Meta es wieder einmal mit Zeigen versuchte oder ich schon ahnte, was Meta wollte, fragte ich sie immer zuerst "Was möchtest Du?". Meta lachte dann und ging zielstrebig zum Bigmack, um ihn zu betätigen. 
Der nächste Schritt war nun, einen Ventilator in Metas Zimmer zu installieren, den sie sich mit dem 2. Bigmack anstellen lassen konnte. Meta liebte den Wind und sollte lernen, bewusst zwischen 2 Tastern zu wählen. Zu meinem Erstaunen hatte Meta innerhalb von 15 Minuten herausgefunden, wie es funktionierte: linker Bigmack für Musik, rechter für Wind. Die Voraussetzungen für den Gebrauch eines Talkers schienen damit gegeben.
Als Meta ihr letztes Jahr in den Kindergarten ging, begleitete sie täglich ein Bigmack dorthin. Zunächst nahmen wir wegen Metas geringem Sprachverständnisses und ihrer Vorlieben nur Lieder oder auch einmal Geräusche von Spielsachen auf. Diese spielte sie dann im Morgenkreis mit immer weniger Hilfestellung und zunehmendem Spass ab, während die anderen Kinder zum Beispiel von ihren Erlebnissen zu hause erzählten. Durch den Bigmack konnte Meta aktiv teilnehmen, sie erlebte "dran zu sein", und der Morgenkreis wurde für die bedeutsamer. Zu hause spielte Meta mit Freude ab, was im Kindergarten aufgenommen wurde, gemeinsam gesungene Lieder zum Beispiel. Nach einem weiteren Jahr hatten sich Sprachverständnis und Interesse an Sprache verbessert. Meta freute sich nun, wenn ihr Bigmack mit Texten besprochen wurde. Davon verstand sie sicher nur einzelne Worte, aber ich denke, dass ihr oft schon klar war, worum es in etwa ging. Auf jeden Fall hatte sie nun nicht mehr nur Freude an gesungenen Liedern sondern auch an gesprochener Sprache, sie hörte sehr aufmerksam zu!  

In der Regel wird dazu geraten, Bigmacks zunächst als sprechende Schalter an batteriebetriebene Spielzeuge (Kassettenrekorder...) anzuschliessen. Das ist sinnvoll, wenn es um das Einüben des Ursache-Wirkung-Zusammenhangs geht, einer kommunikativen Grundvoraussetzung. Da Meta diesen Zusammenhang schon verstanden hatte (sie bediente bereits elektronisches Spielzeug mit Tasten), setzten wir die Bigmacks gleich als Kommunikationsgeräte ein, mit denen sie uns um etwas bitten konnte. Es ist wichtig, genau zu beobachten und herauszufinden, was notwendig und sinnvoll ist. Für Meta war es eine weitaus grössere Hürde zu lernen, mit dem Bigmack etwas anzufordern, als den Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung zu verstehen. Auf der anderen Seite hätte sie eine gleichzeitige Schalterfunktion des Bigmacks von seiner kommunikativen Funktion abgelenkt - sie hätte ihn nur als Tastenspielzeug genutzt. 

6. Komplexe elektronische Kommunikationshilfen (Talker)

Nachdem Meta gelernt hatte, 2 BigMacks gezielt einzusetzen, begann ich mich (Meta war gerade 5 Jahre alt geworden) nach einem geeignetem Talker umzuschauen. Talker sind elektronische Kommunikationshilfen, die im Prinzip wie viele zusammengelegte Bigmacks funktionieren, meist darüber hinaus aber noch viel mehr können.
Zunächst hatte ich über einen Talker mit nur 4 Tasten nachgedacht, befürchtete jedoch, Meta würde schon bald mehr benötigen. Ich entschied mich für ein komplexeres Gerät, rief verschiedene Firmen an und bekam einige Geräte zum einwöchigen Test zugeschickt. Ich war gespannt auf Metas Reaktion und hatte Bedenken: Meta drückte typischerweise vor allem bei neuen Sachen nur sehr leicht und war kaum zu stärkerem Tastendruck zu bewegen. Ausserdem drückte sie möglichs ohne hin zu schauen. Doch als der erste Talker da stand und "sprach", erkannte Meta offensichtlich, dass er mit ihren Bigmacks "verwandt" ist. Ich stellte die Testgeräte genau an die Stelle, wo die Bigmacks sonst standen, fixierte sie gut und belegte die beiden Tasten oben links entsprechend den Bigmacks. Meta benutzte sie ganz selbstverständlich, wenn auch zu sehen war, dass ihr die beiden Bigmacks lieber waren. Bigmacks sind grösser, man trifft sie mühelos ohne hinzuschauen, sie klackern schön beim Drücken und sind richtig laut. Darin liegt sicher auch ihr Reiz in der Anbahnungsphase, dem sich kaum ein Kind entziehen kann! 
Wir entschieden uns nach dem Test für den MACAW. Er kann zunächst mit 2, 4 oder 8 grossen Tasten, später mit 32 kleinen Tasten auf mehreren Ebenen benutzt werden. Er hat leicht ansprechende Tasten, keine toten Punkte auf dem Tastenfeld und - was für Meta besonders wichtig war - er fährt unmerkbar aus dem Energiesparmodus hoch und reagiert sofort auf den ersten Tastendruck mit der richtigen Aussage. 
Meta versuchte auch auf dem Talker blind zu greifen. Sie schien sich lieber die Anordnung der Tasten zu merken als auf ihre Symbole zu achten. Ein ungewöhnliche, aber mögliche Methode! 
Dass Meta gerade das akustischer Reize bevorzugte, zeigte sich nicht nur beim Talker sondern auch bei der Spielzeugwahl. Und daran, dass sie trotz Symbolverständnis lange Zeit die Kommunikation über Symbolkarten verweigerte. Meta schien den umgekehrten Weg zu gehen und durch den Talker allmählich zum Symboleanschauen zu kommen. Das Interesse am Talker war in der folgenden Zeit schwankend. In Phasen, in denen Meta Gebärden oder Bildkarten zu nutzen begann, liess sie ihn sogar ganz links liegen.

Kurz nach Metas 8. Geburtstag und nach 1,5 Jahre intensiver Bildkartennutzung (Wand-Klettkarten, Kommunikationsbuch) erschien es erfolgversprechend, es noch einmal intensiver mit dem Talker zu versuchen. Meta hatte seit einiger Zeit auch einen GoTalk mit 9 Feldern pro Ebene, da dieser viel leichter und unempfindlicher als der MACAW ist. Ich bestückte ihn mit dem Vokabular für's Frühstück (oben links beginnend: "Guten Appetit", "Ich möchte Marmelade", "Ich möchte Nutella", "Ich möchte Yoyo", "Ich möchte trinken", "Ich möchte Joghurt", "Ich möchte Cornflakes", "Donnerschlag!", "Ich bin fertig"). Die Bilder stammten aus dem METACOM Symbolsystem. Meta überraschte uns, nahm den Talker sofort begeistert an und schaute jetzt beim Tastendrücken genau hin. Da der GoTalk viel weniger Aussagemöglichkeiten als das Kommunikationsbuch hat, was Meta bisher benutzte, hatte ich mich gefragt, welchen Vorteil der GoTalk bringen würde. Die Antwort kam prompt: Meta experimentierte mit Sprache, wie es mit Bildkarten nicht möglich war.  Das Wort "Donnerschlag" z.B. wurde in der Schule in bestimmten lustigen Situationen gebraucht. Obwohl Meta nicht versteht, was das Wort bedeutet, so drückte sie es oft mit besonders erwartungsvollem Blick und voller Vorfreude, denn auf dieses Wort erhielt sie nicht einfach nur etwas zu essen oder trinken sondern eine immer wieder andere Reaktion. Meta hörte genau zu, was ihr Talker sagte und merkte meistens, wenn sie sich verdrückt hatte, sie korrigierte sich selbst. Bei der Bildkartennutzung kam es dagegen oft vor, dass Meta danebengriff und gar nicht merkte, dass sie uns die falsche Karte zeigte.

Nach einigen Wochen beschloss ich, den bisher im 8-Tasten-Modus nur selten benutzten MACAW neu zu belegen,  und zwar mit 32 Feldern. Weder die Kleinheit noch die grosse Anzahl der Felder waren für Meta ein Problem, sie freute sich vielmehr über die nun möglichen zusätzlichen Aussagen. Der MACAW war Meta so wichtig und bei ihr so beliebt geworden, dass er nun nicht mehr auf dem Schrank fixiert werden musste. Geworfen wurden nur andere Sachen. Das Layout des Tastenfeldes gestaltet ich so, dass sich in der oberen Zeile Ausagen befanden, die in vielen Situationen zum Einsatz kommen konnten: "hallo", "ich heisse Meta", "nochmal", "cool" (die altersgerechte Variante zu "Donnerschlag"), "aua, mir tut was weh", "tschüss", "ja". Unten rechts befand sich "nein" und ganz links eine blau unterlegte Taste mit dem Text "ich möchte". Die anderen Tasten im Mittelfeld enthielten die blaue Taste ergänzende Aussagen wie "trinken", "Musik hören", "schlafen", "wedeln" usw. Meta sollte lernen, durch Kombination von 2 Tasten einfache Sätze zu sprechen, wozu es jedoch vorerst nicht kam. Während Meta fast alle Tasten sinnrichtig nutzte und ebenso gerne mit ihnen spielte, machte sie um "ich möchte" einen Bogen. Es war die einzige Taste, die sie nie benutzte.
Nachdem Meta den MACAW einige Monate genutzt hatte, schien ihr die Wortanzahl des gerätes nicht mehr auszureichten. Meta spielte zunehmend stereotyp mit immer gleichen Wörtern. Sie brauchte ein neues Gerät mit dynamischem Display.

Wir testeten verschiedene Geräte und entschieden uns für den SmallTalker.  Bereits in der Testzeit wurde absehbar, dass die auf dem Gerät vorgegebene Sprachkodierung "Minspeak" nichts für Meta war, ausserdem erkannte sie viele der geräteeigenen Symbole nicht. Wir entfernten Minspeak, luden die METACOM Symbole auf den Talker und legten einen Wortschatz in Wurzelstruktur an. Jetzt nahm Meta das neue Gerät begeistert an.  Dass sich über eine passend bebilderte Taste eine bestimmte Unterseite öffnen lies, verstand Meta gleich. Um von der Unterseite jedoch wieder zurück zu gelangen, musste eine abstrakte Pfeiltaste gedrückt werden. Vermutlich, weil diese Taste abtrakt war und kein verständliches Bild trug, mied Meta sie zunächst. Nach etwa 2 Wochen jedoch hatte Meta damit keine Probleme mehr, geschickt manövrierte sie sich durch die Seiten.

7. Gebärden

Um den 6. Geburtstag herum liess Metas Talkerinteresse nach, und sie interessierte sich wieder für andere Spielsachen als ausschliesslich für solche mit Tasten und Geräuschen. Gleichzeitig wurde Meta zunehmend offen für Gebärden, mit denen wir schon seit einiger Zeit unsere Sprache begleiteten. Zunächst schien sie einfach nur öfter hinzuschauen, wenn jemand gebärdete, dann fasste sie manchmal die Hand des anderen dabei an. Meta interessierte sich sehr für das Töpfchen ihrer kleinen Schwester und eines Tages zeigte sie zunächst auf das Töpfchen und zupfte dann an ihrem Pulloversaum. Sie wollte ausgezogen und aufs Töpfchen gesetzt werden. Das war ihre erste eigene Gebärde! An Versuchen, unsere Gebärde für Trinken nachzuahmen, zeigte sich, welche Probleme sie noch mit dem Körperschema, besonders von ihrem Gesicht hat. Ihre Hand schien zum Mund zu wollen, landete aber in den Haaren. Sie war allerdings gerade auch sehr auf Haare (und Haareziehen) fixiert. Wonach man sie auch fragte (Fuss, Hand…), sie zeigte auf ihre Haare, wobei ich mir sicher bin, dass sie die Worte verstand. Meta lernte noch eine zweite Gebärde, mit der sie uns auffordert zu singen. Dazu wedelte sie zunächst nach unserem Vorbild mit beiden Händen in Höhe des Gesichts, später reduzierte sie es auf eine Hand (Abb.). 
Als Vorlage für die Gebärden verwendeten wir die von Etta Wilken herausgegebenen Arbeitsmaterialien "Sprechen lernen mit GuK" (GuK: Gebärden-unterstützte Kommunikation). Diese ursprünglich zur Unterstützung des Sprechenlernens von Kindern mit Down-Syndrom entwickelten Gebärden sind kindgerecht und einfach erlernbar. Die Arbeitsmaterialien enthalten neben den Karten mit abgebildeten Gebärden jeweils dazu passende Wort- und Bildkarten, die bei Meta aber bisher nicht zum Einsatz kamen. 


Metas besonderer Weg

Als wir mit Unterstützter Kommunikation anfingen, versuchte ich mich streng an das zu halten, was die Fachliteratur empfahl. Bald verstand ich, warum Metas Therapeuten so oft sagten, Meta ist ganz besonders und passt in keine Schublade. Wir hatten mit Problemen zu kämpfen, die in keinem Buch berücksichtigt wurden. Allmählich fasste ich Mut, meinem Gefühl zu vertrauen und mit Meta manches anders anzugehen. Lange Zeit machte Meta nur winzige Fortschritte, zuletzt grössere, und ich bin mir sicher, wir sind auf dem richtigen Weg. Meta ist ein ausgesprochen kommunikationsfreudiges Kind.


 


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